Wasserzeile

Wasserzeile - Historische Aufnahme 1860

Fotografie Wasserzeile in den 1860er Jahren, die letzten drei Gebäude rechts: Gerberei und Lederfabrik des Julian Sartorius; daneben der Kaisersteig, noch mit Treppen © Stadtarchiv

Die Wasserzeile, bereits 1339 schriftlich erwähnt, war nicht immer eine Sackgasse. Bis zum Bau der Franz-Josefs-Bahn in den 1860er Jahren befand sich entlang dieser Häuserzeile ein schiffbarer Donauarm und ab dem Kaisersteig begann der Treppelweg Richtung Kritzendorf. Da zogen die Schiffer, die durch die treibende Kraft des Wassers von Bayern und Oberösterreich in die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien gekommen waren, mit ihren kräftigen Rössern wieder stromaufwärts. Der Niedermarkt und die Wasserzeile waren pulsierende Wirtschaftszentren: Lager- und Gasthäuser, der Salzstadel, eine Überfuhr nach Korneuburg und die Fischerzeche waren hier ansässig. Eine Stadtmauer mit drei Toren schützte die Bewohner zum Wasser hin. Mit der Donauregulierung im 19. Jahrhundert und der Verlegung des Hauptstromes Richtung Korneuburg ging dieser blühende Donauhandel für Klosterneuburg verloren.

Am 24. Jänner 1903 richteten fünfzehn Hausbesitzer der Wasserzeile ein Ansuchen samt Begründung an die löbliche Gemeindevertretung mit der Bitte dieselben einer geneigten Erwägung zu unterziehen: Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Wohnungen in der Wasserzeile schwerer zu vermieten sind wie in anderen Stadttheilen. Ursache ist das Vorurtheil dass die Häuser der Wasserzeile in steter Wassergefahr seien. Es ist doch nur ausnahmsweise bei großen Wasserständen vorgekommen, dass die Wasserzeile überschwemmt wurde, und die Nachtheile einer solchen Überflutung dieser Gasse haben doch immer nur kurze Zeit gedauert. Auch andere Stadttheile, die niedrig gelegen sind, wurden von demselben Schicksale betroffen, aber die Vermietungsverhältnisse haben unter diesem Umstande nicht gelitten. Ursache des Vorurtheiles ist die Bezeichnung: „Wasserzeile“. Wenn ein Mieter diesen Namen hört, glaubt er schon, er müßte in steter Wassergefahr sein, wenn er sich in dieser Gasse ansässig macht, und darum ist es so schwer, hier Wohnungen zu vermieten. […] Die Häuser der Wasserzeile liegen in nächster Nähe der Bahn, was von vielen Wohnungsuchenden gewiß berücksichtigt werden wird. Wenn nun diese Gasse den Namen „Bahngasse“ erhalten würde, so fiele einerseits die ominöse Bezeichnung „Wasserzeile“ weg, die Gasse erhielte einen Namen, der wohl begründet ist, und den Hausbesitzern würde hiedurch der Schutz ihrer Interessen gewährleistet. […] so glauben die gefertigten Bittsteller auf geneigte Erwägung ihrer Gründe und auf günstige Gewährung ihres bescheidenen Ansuchens seitens der löblichen Gemeindevertretung rechnen zu können.

Die Hausbesitzer wollten sicher auch dem Fortschritt Tribut zollen, immerhin existierte seit dem 15. April 1882 die Haltestelle Kierling der Franz-Josefs-Bahn auf dem Niedermarkt.

Bereits in der Sitzung vom 19. Februar 1903 wurde die Namensänderung im Gemeinderat mit Stimmenmehrheit beschlossen, demnach mussten die Hausnummern und Straßentafeln in „Bahngasse“ geändert werden, das Grundbuchsamt wurde verständigt. Den Vorsitz im Gemeindeparlament hatte an diesem Tag der „Erste Gemeinderat“ Johann Arocker, der amtierende Bürgermeister Carl Rudolf Werner war am 7. Februar 1903 im 48. Lebensjahr verstorben.

Ob sich die Namensänderung in Bahngasse auf die Vermietung von Wohnungen positiv ausgewirkt hatte, wurde nie erhoben. Nach 64 Jahren, am 27. Oktober 1967 wurde der Gasse auf Vorschlag des Verschönerungsvereines mit einstimmigen Gemeinderatsbeschluss ihre historische Bezeichnung „Wasserzeile“ zurückgegeben.

Wasserzeile KlosterneuburgVogelschaubild Klosterneuburg 1725, Detail - im Vordergrund Wasserzeile (Stiftarchiv Klosterneuburg)

06.12.2022

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