Alle Kapellen und Kirchen in Österreich zusammengerechnet, auch nicht mehr existierende, oder solche, bei denen später das Patrozinium geändert wurde, ergeben rund 260 an der Zahl, die dem hl. Martin von Tours geweiht sind oder waren. Darunter auch jene in Klosterneuburg.
Die weite Verbreitung von Martinskirchen – vor allem auch in Österreich – hat ihren Ursprung in der Taufe König Chlodwig I. (466-511) aus der Dynastie der Merowinger, der als Begründer des Frankenreiches angesehen wird. Im Zuge seiner Bekehrung zum katholischen Glauben erwählte er Martin von Tours zum Schutzherrn der Franken. Im 6. Jahrhundert nahmen die Awaren das Pannonische Tiefland ein und drangen anschließend bis in das östliche Österreich vor. Rund zwei Jahrhunderte konnten sie ihre Herrschaft aufrechterhalten. Erst 791-797 gelang Karl dem Großen die Niederwerfung des kriegerischen Reitervolkes. In der Folge kam es in unserem Gebiet zu zahlreichen Kirchengründungen durch die Karolinger.
Die Martinskirche in Klosterneuburg erhebt sich gut 25 Meter über der Donau in beherrschender Lage am nördlichen Rand eines Geländevorsprungs. Über die Geschichte des Sakralbaus ist aufgrund archäologischer Untersuchungen einiges bekannt: So konnte für das 9./10. Jahrhundert eine Ansiedlung samt Holzkirche und Reihengräberfeld nachgewiesen werden. Um 1000 wurde ein steinerner Rechteckbau mit Chorquadrat errichtet, der im 12. Jahrhundert erweitert wurde und eine Westturmanlage erhielt. Ein frühgotischer Neubau, von dem noch das Langhaus mit dem Westportal, die Rundfenster, das Untergeschoß des Turmes und die Unterkirche erhalten sind, ersetzte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die romanische Kirche. Weitere Veränderungen erfolgten 1291 mit der Stiftung der Bartholomäus-Kapelle und einem späteren Kapellenbau. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde das Langhaus erhöht und der noch bestehende spätgotische Chor errichtet.
Im Bereich des Triumphbogens bestand außerdem ein Lettner (Trennelement in Kirchen). Im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung wurde die Kirche 1683 zerstört. Bis 1727 wiederhergestellt, erhielt sie damals eine barocke Ausstattung. Eine weitere Zerstörung erfolgte am 23. Jänner 1844, als ein Blitzschlag den Kirchturm in Brand steckte. Der Kirchenfriedhof wurde schließlich 1860 aufgelassen.
Eine ganz besondere Verbundenheit zu der Pfarrkirche hatte Dr. Helmut Birgfellner (1934-2014). Als Sohn Georg 1967 mit einer schweren Beeinträchtigung geboren wurde, gab es kaum Therapiemöglichkeiten für Kinder wie ihn. Die nächste Behandlungsmöglichkeit war damals in Innsbruck. Mit Unterstützung der Gemeinde St. Martin gründete seine Mutter Ingrid Birgfellner (1938-1991) daher die „Kindersozialdienste St. Martin“, die seit ihrer Geburtsstunde (1969) vielen Betroffenen zu einem besseren Leben verholfen haben – nicht zuletzt ihrem Sohn, der heute ein relativ selbstständiges Leben führen kann.
Birgfellner begann Darstellungen von St. Martin zu sammeln – und zwar in zweierlei Hinsicht. Einerseits dokumentierte er in seiner so genannten „STMATHEK“ akribisch die ihm bekannten Abbildungen der Kirche und ihrer Umgebung. Andererseits legte er sich eine beachtliche St. Martin-Sammlung zu, die letztlich über 160 Grafiken und Gemälde von circa 60 Künstlern umfasst. Werke von Benesch, Horst und Kahrer sind darunter ebenso vertreten, wie Bilder von begeisterten Hobbymalern. Nach seinem Ableben kam die Sammlung in den Besitz des Stadtmuseums.
Vom 24. Juni bis zum 23. Oktober 2023 wird eine repräsentative Auswahl, ergänzt durch einige historische Informationen, im Magda Strebl-Saal des Museums zu sehen sein.